Selbstloser Einsatz, Held und Schutzengel

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Heimfahrt nach einem arbeitsreichen Tag in Köln. Das Thermometer im Amarok zeigt immer wieder etwas zwischen 39° und 41° Grad Außentemperatur. Ich fahre, wie fast jeden Tag, die B59 in Richtung Grevenbroich von Köln aus kommend. Nach dem Kreisverkehr bei Grevenbroich geht es auf die Autobahn 540. Der Asphalt flimmert, die Sonne brennt und ich gebe Gas. Ich habe ca. 140-150 km/h auf dem Tacho und näher mich der Ausfahrt Frimmersdorf.

Irgendwas ist da vorne nicht stimmig. Denke ich noch so bei mir.

Ein vorausfahrendes Fahrzeug bremst etwas seltsam ab. Ich glaub, ich spinne. Da läuft ein Hund von der Mittelleitplanke quer über die Autobahn in Richtung der Ausfahrt. Am Mittelstreifen winkt ein Mann in schwarzer Hose und weißem Hemd wie verrückt und rennt los. Auch Richtung Ausfahrt. Das Bild vor mir, ein Auto auf der Ausfahrt, ein Auto auf der rechten Spur und ein Auto auf der linken Spur, das überholen will. Mitten auf der Autobahn ein Mann und ein Hund. Alles bremst und weicht aus. Im Geiste sehe ich schon alles mögliche durch die Luft fliegen.

Instinktiv bremse ich und mache alles an Licht an, was mein VW Amarok zu bieten hat. Die Fahrzeuge hinter mir legen Vollbremsungen hin, da sie diese die Situation wohl noch nicht so erkannt hatten.

In dem Moment dachte ich, entweder ist vor mir gleich etwas ganz schreckliches passiert oder hinter mir knallt gleich einer rein. Oder beides.

Rechts ist alles frei, ich fahre Richtung Ausfahrt.  Rund 50 m nach dem letzen Ausfahrtsschild. Alles bisschen knapp, jedoch beherrschbar.

Der Hund flitzt weiter Richtung Neuhausen und der Mann dahinter, er wirkt erschöpft, hinterher. Noch eine Warnleuchte auf das Dach und ich sichere die Ausfahrt. Alle Autofahrer haben richtig reagiert und dabei haben alle Beteiligten auch wahnsinniges Glück gehabt. Weder Mensch, noch Hund wurden von einem Auto erfasst. Die Fahrzeuge waren nicht kollidiert. Die Autobahn war sicher und alle fuhren weiter. Ungezählte Schutzengel hatten zum Glück kein Hitzefrei.

Der Hund trottete weiter die Straße hinauf. Ich kenne mich hier nicht wirklich aus. Was ist da vorne? Ein Fahrzeug vor mir fuhr zwar langsam, jedoch machte der Fahrer vor mir keinerlei Anstalten die Situation zu unterstützen oder wirklich abzusichern. Zumindest, hatte er die Situation in irgendeiner Form erkannt.

Vom weitem sah ich das fette Stoppschild und Autos, die auf der L 351 recht zügig unterwegs waren. Der Hund trottet auf die Kreuzung zu. Der Mann mit seiner Krawatte in der Hand, läuft erschöpft hinterher. Beide sind platt. Bei der Wärme auch kein Wunder.

Ich fahre kurzer Hand rechts an dem langsam fahrenden Auto über den Standstreifen vorbei, überhole Mann und Hund. Es ist nicht viel Verkehr und ich kann die Kreuzung recht schnell absichern. Der Hund wird langsamer, ich biege nach rechts ab und kann den Hund einen Moment nicht sehen. Nicht das der mir jetzt noch ins Auto läuft!

Ich schaue in meine Rückspiegel. Der Mann kommt schweißgebadet hinterher, kommt aber noch nicht an den Hund dran. Ich sehe das der Hund am Rand schnüffelt. Springe aus dem Wagen und laufe drumherum.

Der Hund, Hunde leben ja bekanntlich im hier und jetzt, schnüffelt ungerührt in der Gegend herum, schon bekomme ich ihn im Nacken zu fassen. Ein Halsband hat er nicht. Der Hund bleibt ruhig und hechelt. Keine Anspannung zu spüren.

In der Zwischenzeit kommt auch der junge Mann dazu. „Sie sind unser Lebensretter. Vielen Dank. Benni macht mich fertig. Ich habe hier meine Krawatte, die habe ich schon zweimal versucht um den Hals zu legen, doch der lief immer wieder weg.“

Mit der Krawatte, schaue ich erst einmal das der Hund fixiert bei uns bleibt. Der ist jedoch nun so fertig und entspannt, dass man sich keine großen Sorgen machen muss. Sorgen mache ich mir in dem Moment um den jungen Mann. Auf die Frage: „Ist das Ihr Hund?“ „Nein, ist er nicht. das ist eine lange Geschichte.“

ich sage zu ihm: „Ich weiß nicht, ob Sie ein Held oder einfach nur Lebensmüde und bekloppt sind.“ Der Mann meinte, er wollte auf der Autobahn doch nur die Autofahrer warnen, damit der Hund nicht überfahren wird. Ich denke nur, Lebensmüder und verrückter Held. Behalte es für mich, denn auch ich hatte mich bei der Aktion etwas in Gefahr gebracht.

Ich erfahre, dass der junge Mann die Besitzerin wage kennt. Ich schlage vor das wir den Hund erst einmal in meine Hundebox packen und dann alles weitere klären. Der junge Mann ist einverstanden. Schnitzel hatte heute Hitzefrei, daher hatte ich meinen Hund nicht dabei und die Box war frei.

Benni war begeistert von den Gerüchen. Ein bisschen nachgeholfen und schon war er in der Box.

Nun konnten wir alles weitere klären. Der Hund war sicher und wir auch. Jetzt merkte ich, dass auch mein Puls doch etwas hoch gegangen war. Ich schwitzte und war dabei doch etwas angespannt und aufgeregt. Wir setzten uns in mein Auto und klärten einiges. Ich war glücklich das weder Menschen noch der Hund bei der ganzen Aktion zu Schaden gekommen waren.

Der junge Mann war mit einem Kollegen in dem Ortsteil von Grevenbroich, im Auftrag der Telekom, zur  Akquise unterwegs. Als sie bei dem Frauchen von Benni klingelten, flitzte der Hund durch die Haustür und machte die Düse. Helle Aufregung.

Der junge Mann nahm sofort die Verfolgung des Hundes auf um der Frau zu helfen. Dieser lief tatsächlich in Richtung Autobahn (ca. 400-500m Luftlinie) und der junge Mann hinterher. Als der Hund über die Autobahn lief, rannt der Mann einfach hinterher und winkte, damit die Autofahrer den Hund nicht überfahren. Das er sich dabei in Lebensgefahr brachte, hatte er nicht wirklich  bedacht.

Er war auf jedem Fall glücklich und froh, dass ich ihn und den Hund geholfen hatte. Er versuchte seinen Kollegen telefonisch zu erreichen. Das gelang ihm nicht. Er fragte mich ob ich paar Minuten Zeit hätte, dann würde er mir den Weg zum Haus der Hundebesitzerin zeigen. Klar, jetzt wo alle in Sicherheit waren, setzte ich doch keinen auf die Straße.

Wir fuhren in den Ortsteil rein. In der zweiten Straße kamen uns nach einigen Meter zwei Menschen entgegen. Ein Mann mit weißen Hemd und schwarzer Hose, sowie eine Frau im Kittel, mit einer Hundeleine in der Hand. Bingo. Besitzerin und Kollegen angetroffen.

Ich halte an und wir steigen aus. Der junge Mann erklärt kurz die Situation. Ich mache meine Ladenfläche auf und die Frau beginnt erst einmal recht laut ihren Hund anzusprechen. „Benni, was machst du für einen Scheiß?“

Ich erkläre ihr, das sie jetzt bitte erst einmal ruhig bleiben soll. Dabei machte ich sie darauf Aufmerksam, dass ich gerade ihren Hund und den jungen Mann von der Autobahn eingefangen habe. Das der junge Mann sein Leben für Benni in Gefahr gebracht hatte. Des Weiteren das ich erst den Hund raushole, wenn sie sich beruhigt hat.

Meine Ansage ist deutlich und wirkt. Sie beruhigt sich und hält das Hundegeschirr bereit, während ich langsam die Hundebox öffne. Benni will nur raus. Wir ziehen ihm das Hundegeschirr an und die Hundebesitzerin hat ihn an der Leine. Nun noch den Hund von der Ladefläche gehoben und die Sache ist für mich erledigt. Im Gegensatz zu meinem Hund war Benni einiges leichter und vor allem blieb er bei der Hebe Nummer auch noch ruhig.

Nun realisiert die Frau, was gerade passiert war. Benni stand hechelt neben sein Frauchen und alles passte.

„Wie kann ich Ihnen nur danken?“ Der junge Mann: „ Spendieren Sie mir bitte ein Glas Wasser.“ Ich sagte, das alles okay sei und wünschte einen angenehmen Tag.

Ich verabschiede mich, der junge Mann bedankt sich nochmals bei mir und ich fuhr los.

Nun musste ich mich erst einmal beruhigen. Das war doch recht viel Action in nicht mal 15 Minuten. Bei den Gedanken, was alles hätte passieren können, wird mir doch erst einmal ganz anders.

Langsam normalisierte sich mein Puls und ich fuhr wieder Richtung Autobahn und Heimat.

Der Einsatz des jungen Mannes war aus meiner Sicht wirklich Lebensmüde. Als Hundebesitzer freut man sich natürlich über einen solch einen selbstlosen Einsatz, für einen fremden Hund.

Ich bin mir jedoch sicher, dass wir heute alle einen Schutzengel hatten.