8. Mai – Unterwegs in Richtung Neufundland

Die Straßen führten uns weiter durch Nova Scotia. Während wir Pictou hinter uns ließen, öffnete sich die Landschaft und mit ihr dieses besondere Kanada-Gefühl: endlose Wälder, das Grün der Wiesen, das Glitzern vieler Seen im Sonnenlicht. Die Luft war erfüllt vom würzigen Duft nach Kiefern, vermischt mit einer Spur salziger Meeresbrise. Immer wieder hörten wir das Rauschen des Windes, das leise Brummen des Motors und – wenn wir die Fenster öffneten – das Zwitschern der Vögel. Die Vorfreude wuchs mit jedem Kilometer, aber ein wenig Unsicherheit schwang mit: Würde wirklich alles wie geplant funktionieren? Hatten wir an alles gedacht?

Den Tag hatten wir fest für die lange Fahrt eingeplant und im Vorfeld die Fähre für die Nacht gebucht, um keinen Tag zu verlieren. In Little Pond machten wir unsere große Pause. Während wir draußen aßen und Kaffee tranken, spürten wir die Sonne auf unseren Gesichtern und das leichte Kribbeln der Aufregung im Bauch. Möwen kreischten über dem kleinen Hafen, und eine frische Brise trug den salzigen Duft des Atlantiks und das Aroma von Pinien herüber.

Am Hafen von North Sydney angekommen, hatten wir binnen zwei Tagen schon unsere ersten 480 km auf der Uhr. Plötzlich machte sich Nervosität breit: Wir waren gespannt, ob das Einparken mit dem großen Wohnmobil problemlos klappen würde – schließlich war es unser erstes Mal auf einer so großen Fähre. Das Motorbrummen wurde lauter, als wir in die Warteschlange fuhren. Die Minuten vor dem Auffahren zogen sich, und wir schauten neugierig zu den anderen Wohnmobilen, als könnten wir dort Hinweise auf das richtige Vorgehen ablesen.

Schließlich erhielten wir das Zeichen zum Auffahren. Auf der Fähre wurden wir freundlich eingewiesen, das Einchecken in die Kabine verlief reibungslos. Nach dem Ablegen setzten wir uns mit einem Bier an Deck und atmeten tief die kühle, salzige Nachtluft ein.

Auf der Überfahrt kamen wir mit einem jungen Kanadier ins Gespräch, der auf dem Weg nach Neufundland war, um einen neuen Job zu finden. Es wurde ein sympathischer Austausch: Er erzählte uns von seinen Plänen und wir lachten gemeinsam über die Geschichten seiner bisherigen Reisen. Wir sprachen über unsere eigenen Trips in den vergangenen Jahren, und er berichtete begeistert von den verschiedensten Jobs, die er gemacht hatte – darunter ein Sommer in Yukon, ein Winter als Koch auf einer Forschungsstation und sein Traum, einmal als Guide durch Kanadas Nationalparks zu führen. Seine offene, warme Art machte es leicht, ins Gespräch zu kommen, und schon bald fühlte es sich an, als würde man mit einem alten Bekannten plaudern.

Während das sanfte Schaukeln der Fähre uns in den Schlaf wiegte, mischte sich ein Hauch von Abenteuerlust mit der Frage, welche Überraschungen Neufundland wohl für uns bereithalten würde.

 

Der Regen hatte uns weiterhin fest im Griff. Gut, dass wir im Museum „The Rooms“ Unterschlupf fanden – drinnen war es wenigstens trocken und die Ausstellungen boten einen spannenden Einblick in Kultur und Geschichte, während draußen die Welt weiter vor sich hin tröpfelte.

Nach Tagen voller Regen genossen wir endlich trockenes Wetter, auch wenn der kräftige Wind auf Signal Hill uns fast die Mützen vom Kopf wehte. Signal Hill, berühmt für seine Rolle in der Geschichte der transatlantischen Funkübertragung, empfing uns mit spektakulären Ausblicken auf das tobende Meer und das bunte Häusermeer von St. John’s. Der Spaziergang entlang der Wanderwege fühlte sich beinahe wie eine kleine Expedition an – immer wieder blieben wir stehen, um die steilen Klippen und das Spiel der Wolken über dem Wasser zu bestaunen. „Hier oben kann man spüren, wie nah Wildnis und Zivilisation beieinanderliegen“, meinte Sascha, während ich ein Foto nach dem anderen schoss.

Nachdem wir Bonavista hinter uns gelassen hatten, begleitete uns das vertraute neblige und nasse Wetter auf dem Weg nach St. John’s. Der feuchte Nebel legte sich kühl auf unsere Haut und dämpfte jedes Geräusch, während das entfernte Rauschen des Windes in den Bäumen zu hören war. Die Luft roch nach nassem Asphalt und dem salzigen Hauch des nahen Ozeans. Unsere Hände wurden klamm, wenn wir draußen nach dem Weg suchten, und manchmal prickelte der Nebel auf den Wangen wie feine Nadelstiche.