21. Mai – Twillingate – Kings Point

Der Regen prasselte unaufhörlich auf unser Wohnmobil und ließ die Landschaft in grauen Schleiern verschwimmen. Die Fensterscheiben waren beschlagen, und der Duft nach nasser Erde und Tannennadeln drang durch die winzigen Spalten, wenn wir lüfteten.

Unterwegs machten wir Halt am Beothuk Interpretation Centre, einer historischen Stätte, die uns mit ihren stillen Ausstellungsräumen und uralten Artefakten in eine andere Zeit versetzte. Was uns ein wenig erstaunte: Wir hatten nicht erwartet, mitten in Neufundland auf deutsche Übersetzungen zu stoßen – das fühlte sich fast surreal an. Das Team im Museum war herzlich und bat uns tatsächlich, ein paar deutsche Beschriftungen zu überprüfen. Es machte Freude, beim Korrigieren mehr über die Geschichte der Beothuk zu erfahren und einen kleinen Beitrag zu leisten.

Eine Reise in die Vergangenheit: Das Beothuk Interpretation Centre in Boyd’s Cove

Stell dir vor, du stehst auf einem Küstenpfad in Neufundland, der salzige Wind weht dir ins Gesicht und das Rauschen des Ozeans vermischt sich mit dem Flüstern der Bäume. Doch was du hier wirklich spürst, ist die Vergangenheit – die Geschichte der Beothuk, die vor 300 Jahren hier lebten. Das Centre ist mehr als ein Museum: Es ist eine Pilgerreise zu einer Kultur, die verschwunden ist, deren Spuren aber bis heute wirken. Alte Werkzeuge, kunstvolle Artefakte und Ausstellungen erzählen von ihrem Leben als Jäger und Sammler, ihrer Beziehung zur Natur und den Herausforderungen, denen sie begegneten. Ein 1,5 Kilometer langer Pfad führt bis zum ehemaligen Dorfstandort, wo heute nur noch Vertiefungen der Grubenhäuser sichtbar sind. Besonders eindrücklich ist die Skulptur von Gerald Squires, die das Auslöschen der Beothuk auf ergreifende Weise darstellt.

Dieser Ort lehrt uns, wie wichtig es ist, Geschichten zu bewahren – und wie schnell Kulturen verschwinden können.

Nach diesem besonderen Erlebnis setzten wir unsere Fahrt fort, auch wenn das Wetter uns weiterhin herausforderte. Die Regentropfen trommelten wie kleine Finger auf das Dach, während wir Kilometer um Kilometer durch neblige Wälder und vorbei an spiegelglatten Seen zurücklegten.

Die Ankunft in Kings Point war wenig einladend: Der erste Campingplatz, den wir ansteuerten, lag an einem steilen Hang, und schon beim Aussteigen spürten wir das nasse Gras unter den Stiefeln nachgeben. Das Risiko, uns festzufahren, war uns zu groß, also suchten wir weiter. Schließlich fanden wir einen einfachen Platz – nicht besonders schön, doch der warme Wasserdampf aus den Duschen, der Geruch nach Seife und die überraschend kostenlosen Waschmaschinen machten alles wett.

Am Abend, während der Regen weiter unaufhörlich auf das Dach trommelte, fühlten wir uns im Wohnmobil geborgen. Das leise Surren der Heizung, das Knarzen des Holzes und der Kaffeeduft mischten sich mit dem Gefühl von Zufriedenheit. Wir spielten Scrabble, während draußen die Dunkelheit dichter wurde – und unser kleiner, heller Raum im Regen war wie eine Insel inmitten der wilden Natur.

Unser letzter Tag auf Neufundland. Zeit, Abschied zu nehmen von einer Insel, die uns in den vergangenen Tagen so viele Eindrücke geschenkt hat. Am Nachmittag kochten wir noch einmal gemeinsam, während draußen der Wind um das Wohnmobil pfiff und das Licht langsam weicher wurde. Es war einer dieser Abende, die gleichzeitig ruhig und voller Bedeutung sind – weil man spürt, dass etwas zu Ende geht.

Die Nachtfahrt auf der Fähre hatte etwas Meditatives. Draußen war nur das tiefe Brummen der Motoren zu hören, über uns funkelte der Sternenhimmel, und hin und wieder blitzte das ferne Licht eines anderen Schiffs am Horizont auf. Mit jeder Seemeile schien Neufundland ein Stück weiter hinter uns zu liegen. In den frühen Morgenstunden liefen wir in North Sydney ein – noch verschlafen, aber voller Vorfreude auf die letzten Etappen unserer Reise.

Nach Wochen auf den endlosen Straßen Neufundlands und Nova Scotias war der Tag gekommen, an dem unser treuer Begleiter, das Wohnmobil, in Rente gehen sollte. Wir steuerten es zum Vermieter in Enfield, fest entschlossen, es in makellosem Zustand zurückzugeben. Als der Vermieter uns mit deutlicher Verwunderung ansah und fragte, warum wir so gründlich geputzt hätten, fühlten wir uns kurz ertappt. „Wir haben das Reinigungspaket gebucht“, erklärten wir, doch sein Schmunzeln verriet, dass wir uns diese Mühe hätten sparen können.