28. Mai – Zurück in Nova Scotia

Die Nachtfahrt auf der Fähre hatte etwas Meditatives. Draußen war nur das tiefe Brummen der Motoren zu hören, über uns funkelte der Sternenhimmel, und hin und wieder blitzte das ferne Licht eines anderen Schiffs am Horizont auf. Mit jeder Seemeile schien Neufundland ein Stück weiter hinter uns zu liegen. In den frühen Morgenstunden liefen wir in North Sydney ein – noch verschlafen, aber voller Vorfreude auf die letzten Etappen unserer Reise.

Wir rollten durch die sattgrünen Landschaften von Nova Scotia, vorbei an kleinen Orten, in denen der Frühling gerade Fahrt aufgenommen hatte. Das Licht war anders als auf Neufundland – weicher, wärmer, fast schon sommerlich. Unterwegs hielten wir in einem kleinen Café an und gönnten uns ein typisch kanadisches Frühstück. Zwischen Pancakes, Kaffee und Ahornsirup schmiedeten wir Pläne für die letzten Tage. Ein Gefühl von Aufbruch lag in der Luft, begleitet von der leisen Melancholie, dass das große Abenteuer bald zu Ende gehen würde.

Am Meer hielten wir noch einmal inne. Der Wind blies uns ins Gesicht, Möwen kreisten über den Felsen, und das Wasser glitzerte in der Sonne. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen – ein letztes Innehalten, bevor es weiterging.

Dann setzten wir die Fahrt Richtung Halifax fort, rund 340 Kilometer lagen vor uns. Unser Etappenziel hieß Shubenacadie, wo wir auf einem Campingplatz die letzte Nacht im Wohnmobil verbrachten. Mit Ruhe und Sorgfalt verstauten wir unser Gepäck und ließen den Tag in angenehmer Atmosphäre bei einem Glas Wein ausklingen. Ein stiller, schöner Abend – wie geschaffen, um Abschied zu nehmen.

 

Mit der Fähre erreichten wir Neufundland. Als wir das Wohnmobil von der Fähre rollten, schlug uns die salzige Meeresluft entgegen und der Wind zerrte an unseren Jacken – wir fühlten uns wie echte Entdecker, die am Rand einer neuen Welt stehen. In der klaren Nacht mischte sich der Geruch von nassem Holz und entfernten Pinien mit dem Brummen der Motoren und dem gedämpften Klopfen der Wellen gegen die Bordwand. Unsere Herzen pochten schneller, ein Kribbeln aus Aufregung und Vorfreude lag in der Luft.

Schon auf der Fahrt nach Brent’s Cove fragte ich mich immer wieder: Werden wir wirklich einen Eisberg sehen, oder bleibt dieses Abenteuer ein ferner Traum? Die Straße schlängelte sich holprig durch Wälder, das Wohnmobil vibrierte mit jedem Schlagloch und draußen peitschte der Wind an die Fenster. Mit jedem Kilometer wuchs meine Spannung – und dann lag er plötzlich da.

Der Nebel hüllte die Landschaft in ein wattiges, silbergraues Tuch, während feiner Sprühregen die Haut prickelnd kühlte und ein salziger Duft nach Algen und feuchtem Holz in der Luft lag. In Bonavista begegneten wir den Papageientauchern, deren leuchtend orangefarbene Schnäbel wie glühende Funken durch das gedämpfte Licht blitzten. Ihr Gefieder schimmerte im Regen, als hätten sie sich Farben aus dem tiefsten Blau und Grün des Ozeans geborgt. Die Möwen kreischten, das Meer rauschte und in regelmäßigen Abständen klatschte eine kräftige Welle an die Felsen – eine Sinfonie aus Naturklängen, die alles andere ausblendete.